Der Tidingsbringer: An der Takelage erkannte er jedes Schiff
Natürlich zieht die Trachtengruppe beim Niege Ümgang immer besondere Aufmerksamkeit auf sich. Und geht es in de Achterreeg, in der Alexandrinenstraße, am Brunnen mit den in Bronze gegossenen Figuren vorbei, zwinkert Gerd Grunewald seiner dort positionierten historischen Figur in Gedanken zu. Dem Tidingsbringer, dem Nachrichtenüberbringer!
Der ehemalige Unternehmer trägt die Fischertracht von 1840 und sagt: „Ja, mit diesem wunderbaren Fernrohr spähte der Tidingsbringer nach den Segelschiffen aus. Sie hatten noch keine Trigger, wie unsere Schiffe heute! Allein an der Takelage erkannte der Tidingsbringer das Schiff, das auf den Heimathafen zusteuerte.“
Ob er vielleicht so gerufen hat? „Die Bark „Anny“ am Horizont! Kapitän Heinrich Haase ist gleich zu Hause!“ Oder sah er die Brigg „Ballance“, auf der Heinrich Stuhr als Kapitän neben dem Rudergänger stand?
Egal, er setzte sich sofort in sein Ruderboot, jagte mit schnellen Schlägen in die Hansestadt Rostock, wo er im Reedereikontor die Neuigkeiten verbreitete und natürlich die Hand aufhielt. Wie der Wind eilte er zurück nach Warnemünde, um nun die Familien der Segler zu benachrichtigen. So mancher Taler kullerte auch hier in seine Hand. Er soll der reichste Mann im kleinen Fischerort Warnemünde gewesen sein. „So erzählt man sich zumindest in alten Anekdoten“, sagt Gerd Grunewald und lacht.
Ohne die historische Tracht wird der 63jährige sich in dieser Woche eher an den schnittigen Sportbooten, den Dickschiffen erfreuen und bestimmt nicht die Hand aufhalten, wenn die Sieger der Regatten einlaufen und auf dem Treppchen gekürt werden. Er wird irgendwie auch ein bisschen stolz sein, dass Segler, gestern wie heute, an der Warnowmündung vor Anker gehen.
Monika Kadner