ILCA-Seglerin Sofiia Naumenko: „Wenn doch nur bald Frieden wäre“
„Zur dritten Wettfahrt blies es vielleicht ein bisschen viel, aber ich liebe diesen Starkwind. Immer mit dem Wind um die Wette zu segeln, das ist meine Warnemünder Welle!“ Die 24-jährige Sofiia Naumenko schwärmt regelrecht: „Zur Warnemünder Woche eingeladen zu werden, ist immer wie nach Hause zu kommen. Das liegt nicht nur an dem tollen Segelrevier, das dir bei Flaute und Wind alles abverlangt, sondern auch an der Herzlichkeit an Land und auf dem Wasser, bevor die Jagd auf der Regattabahn losgeht.“
Sofiia zieht den Reißverschluss ihrer Windjacke auf und zeigt mir das schwarze T-Shirt darunter. „The Ocean Race“ steht dort in weißen Buchstaben. Ein Geschenk? Weit gefehlt. „Es war für mich eine große Ehre, als mich litauische Sportfreunde fragten, ob ich für die erste Etappe des Ocean Race an Bord des Volvo 65 „Ambersail 2“ mit an Bord kommen würde.“ Sofiia erzählt von ihrem Herzklopfen, ihrer nicht gefahrlosen Fahrt nach Dnipr, in die Heimat, um mit ihrem Trainer Aug in Aug, und nicht nur per Videokonferenz, so eine wunderbare, aber auch verpflichtende Rekrutierung in das Team einer Profi-Rennyacht zu erfüllen – den Traum vieler Segler zu leben. Sie verwirklichte ihn und ging am 15. Januar dieses Jahres mit an Bord in Alicante. Sie wurde Teil dieser wichtigsten Team-Regatta um die Welt.
„Wenn du vor hochgehender Gischt nichts mehr sehen konntest, nur dem Steuermann und den anderen Seglern blind vertrauen musstest, das war meine Welt. Auf meinem ILCA bin ich allein für mich verantwortlich, aber bei diesem Meeres-Marathon über die ersten 1.900 Seemeilen waren wir ein Team, jeder für jeden mitverantwortlich. Wir machten als vierte Mannschaft auf den Kapverden die Leinen fest. Das Glücksgefühl war und ist noch heute unbeschreiblich. Alles Schwere, beim Gedanken an Familie und Freunde zu Hause, fällt da von dir ab. Ich genieße dieses Gefühl unter Sportlern, dass Politik außenvorbleibt. Wobei die litauischen Sportfreunde bestimmt auch ein Zeichen setzen wollten, wie sie zu ukrainischen Sportlern stehen. Wir waren zusammengeschweißt. Warum geht das alles so nicht in der Politik, mit Verständigung, mit Achtung…“
Immer wieder führt das Gespräch zur Situation in der Ukraine, zum Krieg. Sofiia hat genauestens die Kinderolympiade in Ternopil, im Mai dieses Jahres, beobachtet, „weil die ukrainischen Kinder jetzt nach rund 500 Tagen Kriegsgeschehen vor allem Sirenengeheul, Luftalarm und Flucht in Keller kennen. Hier konnten sie frei aller schweren Gedanken segeln und Spaß haben, sich mit Wind und Wellen zu messen. Es gibt natürlich in unserem Land wichtigeres als eine Kinderolympiade, aber gerade deshalb war sie von besonderer Bedeutung eines normalen Lebens und zur Förderung unserer Kinder im Segelsport. Diese Regatten fanden auf dem großen See in Ternopil, im Nordwesten der Ukraine statt. Auf dem Meer zu segeln ist unmöglich. Die Minen im Schwarzen Meer sind sogar bis Bulgarien getrieben…“
Sofiia tourt im Moment von Regatta zu Regatta in ihrem Van. „Da hat mir kürzlich ein deutscher Tischler sogar ein Bett eingebaut, sodass ich nicht mehr nur auf einer Matratze schlafen muss. Das ist meine neueste, bequeme Errungenschaft. Sonst richte ich alles auf die Vorbereitung der Olympiade im nächsten Jahr aus. Ich hoffe dann in Marseille mit meinem Wohnmobil Station zu machen. Wenn doch nur bald Frieden sein könnte, damit wir Ukrainer wieder in allen Klassen zusammen trainieren können. Ein sauberer Himmel und saubere Meere – davon träume ich.“
Aktuell liegt Sofiia Naumenko auf Platz 5 im Europa Cup in der ILCA 6-Klasse hier zur Warnemünder Woche.
Monika Kadner